Wer hat die Kirche gesehen oder gehört?
Freitag, den 23. Dezember 2011 um 14:50Von den reformierten Kirchenoberen ist man es gewohnt, zu Weihnachten wenig zu vernehmen; Vertreter christlicher Freikirchen lassen in letzter Zeit häufiger von sich hören. „Habemus papam“ zieht über die Leinwände. Dort verwandelt sich Michel Piccoli, schon seit 40 Jahren Darsteller des untergehenden französischen Grossbürgertums, in einen dem Papsttum absagenden neuen Christus. Nanni Moretti hat dies angerichtet und spielt sehr nett mit. Die ARD lässt die „Päpstin“ ihre psychischen wie physischen Qualen vorführen, ein hübsches frühmittelalterliches Spektakel.
Wer hat in der Schweiz die römisch-katholische Kirche sonst vernommen? Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Nobert Brunner, schweigt, wie meistens. Die Bischöfe Huonder (Chur) und Gmür (Basel) liefern sich Gefechte. Abt Martin (Einsiedeln) hat einen sehr guten Zulauf an Gläubigen und eine lebendige Mönchsgemeinschaft, gilt aber vielen Ultramontanen als zu zeitgeistig. Dabei lebt die Kirche von diesem Spagat.
Unser neuer Bundesrat André Berset, der nach Dölf Ogi wieder einmal einen vitalen Bundesrat abgibt, hebt bei der Vereidigung in Bern die Schwurfinger, bekennt sich als Christ, geht aber selten in die Kirche. Andrea Breth in Stockholm, eine der wenigen wirklich herausragenden Theaterregisseurinnen des deutschsprechenden Europas, auf die Frage „Gehen Sie in die Kirche?“, antwortet: „Um Himmels willen, nein.“
Derweil erfreut sich die Volkskirche im Land in katholischen Gegenden am Christkind, in protestantischen am Nikolaus und Weihnachtsmann. Letzterer rennt, meist in der Coca-Cola-Version (roter Mantel, weisser Bart) durch die Einkaufsstrassen, um uns zu meist verbilligten Einkäufen zu motivieren.
Fröhliche Weihnacht.